„Alle gesammelten rohen Frauenhaare sowie Chinesenhaare“ wurden der Beschlagnahme unterworfen, mit Ausnahme der gesammelten eigenen Haare – und wer mindestens ein ganzes Kilogramm Haare besaß, musste seinen Bestand monatlich dem „Webstoff-Meldeamt der Kriegsrohstoffabteilung des preußischen Kriegsministeriums“ anzeigen und den Umschlag laut § 6 der Bekanntmachung außer mit der Adresse mit „Betrifft Menschenhaarmeldung“ beschriften.
Frauenhaare wurden, wie schon im Beitrag Treibriemen zu Schuhsohlen zu lesen war, statt Leder in Treibriemen eingesetzt. Der Bergedorfer Frauenverein nahm zunächst Frauenhaare „zu diesem vaterländischen Zweck“ an (BZ vom 2. Februar 1917) und bot schließlich (wie auch andere) sogar Geld dafür: hatten die Preise für ausgekämmte Frauenhaare im Frühjahr 1917 bei 8 bis 10 Mark pro Kilogramm (BZ vom 20. März 1917) gelegen, so stiegen sie über 15 Mark im Januar 1918 (BZ vom 31. Januar 1918) rasch weiter auf 20 Mark, die nun als Höchstpreis festgesetzt wurden.
Wer aber glaubte, mit dem eigenen Haarwuchs bzw. -ausfall nennenswerte Geldbeträge erwirtschaften zu können, wird enttäuscht gewesen sein, denn Haare sind ausgesprochen leicht. Der Zopfabschneider in Hamburg, über dessen kriminelle Tat im nebenstehenden Artikel berichtet wurde, dürfte kaum mehr als 50 Gramm pro Zopf ergattert haben.
Die Nennung von „Chinesenhaaren“ in der Bekanntmachung überrascht zunächst. Sollte es tatsächlich um Haare von Chinesen gegangen sein, so wäre dies ein Beleg für fortgeschrittene Globalisierung, doch da aufgrund der Seeblockade Importe das Deutsche Reich kaum erreichen konnten, kann es sich nur um Vorkriegsbestände gehandelt haben. Männerhaar in ausreichender Länge war kurz vor dem Krieg in China sicher vorhanden, denn mit dem Ende des chinesischen Kaiserreichs waren dort die traditionellen Zöpfe abgeschnitten worden.