Ein Jubiläum: 49 Jahre und 212 Tage Bergedorf zu Hamburg

Bergedorfs Geschichte eingedampft auf gut einhundert Zeitungszeilen, veröffentlicht anlässlich eines sehr krummen Jubiläums:

Bergedorfer Zeitung, 8. August 1917

Wer’s lieber ausführlicher und präziser hat, sei vor allem auf das vom Kultur- und Geschichtskontor herausgegebene Buch 850 Jahre Bergedorf. Eine Stadtgeschichte verwiesen, in dem die erste urkundliche Nennung Bergedorfs auf 1163 datiert wird, daneben auf den Aufsatz von Ortwin Pelc über die Burg Bergedorf im Hochmittelalter in:  Victoria Overlack (Hg.): Das Bergedorfer Schloss. Dort findet man auch genauere Angaben, z.B. zu dem angeblichen Jubiläum am 8. August 1917, denn der historisch korrekte Jahrestag lag 153 Tage später: erst am 1. Januar 1868 trat die Regelung über die Zugehörigkeit Bergedorfs zum hamburgischen Staate in Kraft, wie der Vertragstext zeigt. (Verfrühtes Feiern gab es nach Ansicht des Kultur- und Geschichtskontors (ebd., S. 8f.) auch 2012, als das 850. Jubiläum Bergedorfs begangen wurde.)

Die großen Linien gibt der Artikel zutreffend wieder, wenn auch die Verleihung des Stadtrechts 1275 keine Erwähnung fand oder auch der Gewinn des halben Sachsenwaldes durch den Perleberger Frieden (Wortlaut des Vertrags bei Richert, S. 30f.) – wichtiger war dem Journalisten, dass der preußische Kronprinz Wilhelm „auf seiner Reise nach England“ 1848 in der Stadt übernachtete, und geschickt umging der Verfasser dabei die Tatsache, dass Wilhelm, der „Kartätschenprinz“ und spätere Kaiser, auf der Flucht vor den 48er-Revolutionären war und nicht einfach Verwandte besuchen wollte. Das hätte ja auch nicht in die Zeit gepasst.

In die Zeit passte aber durchaus der Hinweis auf den Krieg von 1870, der dem Verfasser Bezüge auf den aktuellen Krieg ermöglichte: „auch der gegenwärtige Weltkrieg“ habe große Opfer gefordert und schwere Lücken gerissen, aber da endete sein Vergleich: im deutsch-französischen Krieg wurden durch „Liebestätigkeit“ 34 Soldatenfamilien unterstützt, wofür 4.710 Taler und 8 Groschen aufgewendet wurden – bei 3.606 Einwohnern (1871) war dies weniger als ein Prozent. 1916 erhielten 2.500 Personen aus Soldatenfamilien Essen in einer der Kriegsküchen (siehe den Beitrag Kommunalpolitik 1916), also etwa 16 Prozent; die Aufwendungen für die Kriegsfürsorge lagen bis Ende 1916 bei 435.000 Mark (siehe BZ vom 13. Dezember 1916). Die Zahl der getöteten oder verwundeten Soldaten wird sich ebenfalls vervielfacht haben. Die Siegeszuversicht des Autors beeinträchtigte das nicht.

Übrigens bleibt die BZ dabei, dieses Jahrestags im August zu gedenken: am 7. August 2017 konnte man Ulf-Peter Busses Artikel „Als Hamburg Bergedorf gekauft hat – Morgen vor 150 Jahren“ lesen. Busse verweist in diesem Artikel auch auf das korrekte Datum – kein Wunder, denn niemand dürfte sich so intensiv mit diesem Thema befasst haben: seine Magisterarbeit über „Das Ende der beiderstädtischen Herrschaft über das Amt Bergedorf“ ist aber leider unveröffentlicht.

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