„Wenn nur der Krieg erst zu Ende wäre, denn es wird langweilig“, schrieb Carl Garbers aus Kirchwärder-Warwisch am 6. Oktober 1915 auf dieser Karte aus dem nordfranzösischen Noyon. Garbers gehörte zum 3. Bataillon des Reserve-Infanterie-Regiments 76 (siehe den rechteckigen Stempel), in dem zahlreiche Hamburger (und somit auch Bergedorfer, Vierländer, Marschländer und Geesthachter) dienten.
Warum wurde ihm langweilig? Weil er keine der im nebenstehenden Artikel genannten Gewaltmärsche mehr zu machen hatte? Weil die verlustreichen Gefechte seines Regiments in der Gegend von Noyon vorerst beendet waren und „nur“ noch der Stellungskrieg tobte? Oder gehörte er vielleicht gar nicht zu den Soldaten im Schützengraben, sondern zu einer rückwärtigen Versorgungsabteilung?
Die Verluste, die die „76er“ in der Schlacht bei Noyon erlitten hatten, waren schwer: nach Angaben von Hugo Gropp, der nach Kriegsende im Auftrag des „Vereins ehemal. Angehöriger Reserve 76 e.V.“ seine eigenen und Kriegserinnerungen anderer 76er zusammenstellte und veröffentlichte, betrug die Gefechtsstärke des Bataillons bei der Mobilmachung 3.000 Soldaten aller Ränge und Dienstgrade – am 19. September 1914 lag die Zahl bei nur noch 1.670 (S. 15, S. 39). Auch in der Folgezeit des „langweiligen“ Stellungskriegs in der Nähe Noyons tauchten immer wieder Namen von Regimentsangehörigen in den Verlustlisten in der Bergedorfer Zeitung auf.
Über die Lage der französischen Zivilbevölkerung in Noyon erfährt man bei Gropp fast gar nichts; die Stadt wird vor allem als Durchmarschstation genannt und als „O.-U.“, d.h. Ortsunterkunft, was ja alles wenig bedrohlich klingt. Die Menschen in Noyon werden dies anders erlebt und empfunden haben, denn auf einer Internetseite der Stadt Noyon anlässlich einer Ausstellung zum 100. Jahrestag des Kriegsbeginns heißt es:
„Bereits am 30. August 1914 rückten die deutschen Armeen in Noyon ein und verließen es erst wieder am 17. März 1917. Während dreißig Monaten wurde Noyon zu einem Befehls- und Einquartierungszentrum der deutschen Truppen mit ihren Hospitälern und Militärmagazinen. Dreißig Monate, während derer Noyon ein Teil des deutschen Reichs geworden war, gekennzeichnet von Schreckensherrschaft, regelmäßigen Bombardierungen, täglichen Truppendurchmärschen, immer größer werdenden Entbehrungen.“ (eigene Übersetzung)
Langweilig?