Es war die erste Reichstagswahl, bei der ein „amtlicher Stimmzettel“ eingesetzt wurde. Erstmals waren auf dem Stimmzettel alle im jeweiligen Wahlkreis kandidierenden Parteien aufgeführt (bei den Wahlen 1919 und 1920 verteilten die einzelnen Parteien jeweils „ihren“ Stimmzettel, siehe den Beitrag Wie wähle ich?). Dementsprechend war der Aufklärungsbedarf groß, und die Bergedorfer Zeitung gab immer wieder Tipps zur Stimmabgabe – nicht alle waren richtig.
Entscheidende Neuerung war, dass auf dem Stimmzettel eine Eintragung gemacht werden musste. Folglich hieß es hier, „kreuze den Kreis der Partei an, die Du wählst!“ Aber auch ohne Schreibgerät war laut BZ die Stimmabgabe möglich: „Hast du den Bleistift vergessen, so durchlöchere den Kreis mit einem Finger. Auch dann ist der Wahlzettel gültig.“
Genau diese Gültigkeit des gelochten Stimmzettels bestritt der Leiter des Hamburger Wahlamts. Er warnte dringend in einem Schreiben vor dem Durchlöchern: das Loch könne zu groß geraten, weitere Felder einreißen und damit als ungültige Stimme gewertet werden, oder es könne als unzulässiger Vermerk angesehen werden und deshalb zur Ungültigkeit führen – so die persönliche Meinung Dr. Sköllins. In der Verordnung über Reichswahlen und -abstimmungen (Reichsstimmordnung) vom 14. März 1924, RgBl I 1924, S. 173ff. hieß es zur Frage der Gültigkeit einer Stimme nur: „Bei Reichstagswahlen kennzeichnet [der Wähler] auf dem Stimmzettel durch ein Kreuz oder Unterstreichen oder in sonst erkennbarer Weise, welchem Kreiswahlvorschlag er seine Stimme geben will.“ (§ 117, S. 190) Das lässt Interpretationsspielräume: ein hinreichend großes Loch ist sicher „erkennbar“ (nach § 123 also gültige Stimme), aber ist es zugleich ein unzulässiger „Vermerk“ (nach § 123 also ungültige Stimme)?
Nach der Wahl meldete die BZ „eine verhältnismäßig geringe Zahl ungültiger Stimmen“ (BZ vom 7. Mai): laut amtlichem Endergebnis für Hamburg waren unter den 630.439 abgegebenen Stimmen nur 4.155 ungültig (BZ vom 9. Mai). Vielleicht hatte dazu auch beigetragen, dass die BZ am Tag vor der Wahl von der Loch-Empfehlung abgerückt war und klar zum Kreuz geraten hatte (BZ vom 3. Mai). Zu verhindern waren ungültige Stimmen nicht – dazu waren einige Wähler zu kreativ, wie der Bericht zeigt.
—
Zur Ehrenrettung der Bergedorfer Zeitung muss angemerkt werden, dass andere (und größere) Hamburger Zeitungen ebenfalls den Loch-Trick empfohlen hatten: der Hamburgische Correspondent und die Harburger Anzeigen und Nachrichten, beide am 29. April (Digitalisate im Portal Hamburger Zeitungen Digital). Nicht hereingefallen waren das Hamburger Fremdenblatt und das Hamburger Echo; das „Echo“ schrieb, dass die „von einem Korrespondenzbureau unentgeltlich“ verbreiteten Abbildungen nicht benutzt wurden, „weil die dort angegebenen Methoden falsch oder zum mindesten gefährlich sind.“ (Hamburger Echo vom 30. April)