Kleingeld: vom Mangel zum Überfluss und zurück

Bergedorfer Zeitung, 7. November 1923

„Kleingeld“ ist ein relativer Begriff: 1917 hatte die Stadt Bergedorf auf den Kleingeldmangel durch Kriegswechselmarken von 5, 20 und 50 Pfennigen reagiert – 1923 gab es nach Ansicht der Post zu viele „kleinwertige Scheine“, d.h. Scheine unter 200 Millionen Mark: die Post durfte deren Annahme nicht verweigern, weil sie ja gesetzliches Zahlungsmittel waren – aber sie begrenzte die Annahme auf zwei Stunden täglich. Die Kleingeldgrenze war das Drucksachenporto, ab dem 5. November 200 Millionen Mark, ab dem 12. November 2 Milliarden Mark (BZ vom 7. und 14. November). Man kann die Post verstehen, denn das Zählen von hunderten Scheinen im Millionenbereich hielt die Beamten ebenso auf wie die anderen Postkunden.

Da mochte es sinnvoller sein, kleinwertige Scheine als Altpapier zu verkaufen, wie es die BZ bereits Monate vorher geraten hatte: im August zahlten Altpapierhändler für 1 Kilogramm Geldscheine, z.B. 2.000 Einmarkscheine, mehr als 12.000 Mark (BZ vom 18. August) – im November eine Milliarde Mark. Auch als Spielzeugersatz für Kinder fand „Kleingeld“ Verwendung (BZ vom 20. Oktober), zuvor schon wurde „Kleingeld“ bei einer Festlichkeit in Neuengamme auf dem Fußboden verstreut, was die BZ naserümpfend als „eigenartigen Scherz“ einstufte (BZ vom 3. Oktober).

Als aber im November die Ausgabe wertbeständigen Notgeldes und wenig später der Rentenmark begann, war Kleingeld wieder Mangelware, denn – vereinfacht gesagt – kehrte man ja wieder zur Goldmark zurück, die an den US-Dollar gekoppelt war.

Bergedorfer Zeitung, 19. November 1923

Am 16. November kostete ein Liter Vollmilch laut BZ 192 Milliarden Mark – oder 0,32 Goldmark. Das Problem bei der Bezahlung in Goldmark war dann aber das Wechselgeld, denn fast alles wertbeständige Notgeld gab es entsprechend einer Reichsverordnung nur in Bruchteilen des Dollar (BZ vom 20. und 21. Dezember): der kleinste Schein war der zu 21 Pfennig, dann zu 42 und 84 Pfennig. Nur die „Verrechnungsmarken“ der Hamburgischen Bank von 1923 gab es in dieser Übergangsphase in kleineren Stückelungen (BZ vom 8. November). Von den Rentenpfennigen „hat man bei uns bis jetzt verschwindend wenig gesehen“, schrieb die BZ (BZ vom 17. Januar 1924): „Hätten wir nicht das Hamburger Aluminiumkleingeld und die Papiermark, so wäre die Kleingeldnot unerträglich.“

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