Wer sich in einem öffentlichen Lokal einen Rausch antrinken wollte, hatte nun weniger Zeit dafür: die Polizeistunde wurde auf „12 Uhr abends“ vorverlegt, und in den letzten zwei Stunden vor Mitternacht war Bier das einzige alkoholische Getränk, das ausgeschenkt werden durfte – clevere weintrinkende Runden werden kurz vor 22 Uhr noch ein bis zwei Flaschen bestellt und geöffnet haben.
Die Polizeiverordnung wurde vor dem Hintergrund der Ruhrbesetzung und der wirtschaftlichen Lage verfügt: Reichskanzler Cuno hatte die Länderregierungen zur „Bekämpfung der Schlemmerei und des Alkoholmißbrauchs“ aufgerufen: die Mehrheit des Volkes leide schon jetzt Not, und die Ereignisse der letzten Tage steigerten die Sorgen „bis aufs höchste“, und da seien „Luxus und Gastereien üppiger Art“ zu unterbinden, „die Erlaubnis zu öffentlichen Tanzlustbarkeiten … im allgemeinen zu versagen“ (BZ vom 20. Januar 1923).
Das hatte Hamburg nun also nur teilweise umgesetzt – in der Provinz Schleswig-Holstein, zu der ja auch Sande gehörte, waren die Vorschriften einschränkender: die Polizeistunde setzte bereits um 23 Uhr ein und Tanzveranstaltungen wurden generell verboten (BZ vom 27. Januar), allerdings konnten Ausnahmen zugelassen werden (BZ vom 19. Januar). Toleranter als Hamburg war die preußische Regelung hinsichtlich der Altersgrenze: Alkohol gab es ab 16 Jahren – ob dies zu Wanderungen Bergedorfer Jugendlicher zwischen 16 und 20 Jahren in Sander Lokalitäten führte, ließ sich nicht feststellen.
Und wer tanzen wollte, ging nach Bergedorf – in Sande beschränkten sich die Gastronomen auf Konzerte, wie aus den Anzeigen der folgenden Wochen hervorgeht.
Die ansonsten ja durchaus feierfreudigen Vereine befleißigten sich in dieser Zeit der Zurückhaltung: „Spiel und Sport Bergedorf“ sagte seinen avisierten Maskenball „infolge der ernsten Zeitverhältnisse“ ab (BZ vom 25. Januar), desgleichen der Gesangverein Frohsinn sein Stiftungsfest. Ausgerechnet den Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verband störten die Zeitverhältnisse nicht: er lud zu einem Bunten Abend mit nachfolgendem Ball ins Bergedorfer Colosseum (BZ vom 1. Februar).