Leben am Wasser: Flüsse in Norddeutschland. Tagung am 18. und 19. Februar 2011 in Hamburg / von Robert Gahde

Flüsse prägen Kulturlandschaften in vielfältiger Weise. Sie trennen oder verbinden Kommunikationsräume; sie dienen als Verkehrswege und bilden politische, soziale oder mentale Grenzen; sie prägen Wirtschaftsräume, sind Orte menschlicher Siedlung, von Gewerbe, Industrie und Energiegewinnung, aber auch Orte des Vergnügens und des Genusses. Durch den Bau von Kanälen, Entwässerungs- und Hochwasserschutzanlagen bemüht sich der Mensch, das Wasser zu lenken, nutzbar zu machen und Gefahren abzuwehren. Der vielfältigen Bedeutung der Flüsse für die Lebenswelten Norddeutschlands vom frühen Mittelalter bis in die jüngste Vergangenheit widmete sich eine Tagung, die am 18. und 19. Februar im Museum für Hamburgische Geschichte stattfand.

An den beiden Tagen verfolgten und diskutierten rund 110 Teilnehmer mehr als 20 Vorträge. Die Tagung wurde vom Arbeitskreis für Wirtschafts- und Sozialgeschichte Schleswig-Holsteins, dem Hamburger Arbeitskreis für Regionalgeschichte und dem Museum für Hamburgische Geschichte veranstaltet und vom Landschaftsverband Stade e.V. gefördert. Organisatoren der Tagung waren Prof. Dr. Norbert Fischer, Prof. Dr. Franklin Kopitzsch und Dr. Ortwin Pelc. Nach der Niederelbe-Tagung (Stade 2002) und der Unterweser-Tagung (Bremerhaven 2009) sollten in dieser dritten Veranstaltung nunmehr Flüsse in Norddeutschland insgesamt und vergleichend in den Blick genommen werden.

In die Fragestellungen und die Forschungsgeschichte des Tagungsthemas führte Norbert FISCHER (Hamburg) ein. In ihrer vielseitigen Bedeutung für Topographie und historische Lebenswelten seien Flüsse idealer Gegenstand für interdisziplinär angelegte Forschung. Stünden in der älteren Literatur die Flussnamenforschung und die Siedlungsgeschichte im Vordergrund, so gebe es inzwischen eine große Zahl wirtschafts- und sozialgeschichtlich und regionalgeschichtlich angelegter Arbeiten zur Flussgeschichte sowie – als jüngere Tendenz – Monographien, die die „Biographie“ eines Flusses behandeln.

Am Freitag standen Flüsse nördlich und östlich der Elbe im Blickpunkt. Zunächst behandelte Ortwin PELC (Hamburg) die Frage, welche Bedeutung die Trave und die Warnow für die Siedlungsgeschichte der vorindustriellen Zeit im südwestlichen Ostseeraum spielten. An beiden Flüssen sei eine relative Häufung der Dörfer, der Burgen und Herrschaftssitze sowie der Städte festzustellen, die mit deren Bedeutung als Handels- und Verkehrswege erklärt werden könne.

Wolf KARGE (Schwerin) stellte die die Sude vor, einen kleinen rechtsseitigen Nebenfluss der Elbe im südwestlichen Mecklenburg. Historische Bedeutung habe er unter anderem durch die Schaalfahrt: Um den teuren Handel in Lübeck zu umgehen, habe im 15. und 16. Jahrhundert Lüneburg über die Sude und die Schaale und einen Landweg vom Schaalsee nach Wismar eine zweite Verbindung zwischen Elbe und Ostsee geschaffen, die für Lüneburgs Salzhandel und Holzversorgung eine wichtige Bedeutung erlangt habe. Im 19. und 20. Jahrhundert sei die Mündung der Sude bei Boizenburg mehrfach verlegt worden.

Über die Verschmutzung der Trave durch das Hochofenwerk Lübeck referierte Wolfgang MUTH (Lübeck) aus den Akten des Lübecker Polizeiamtes und des Hochofenwerkes. Schon wenige Jahre nachdem das Werk, zu dem auch ein Zementwerk und eine Kupferhütte gehörten, 1907 den Betrieb aufgenommen hatte, sei es zu Beschwerden der Fischer über das Fischsterben in der Trave durch die praktisch ungeklärte Einleitung teils hochgiftiger Abwässer gekommen. Nach einem jahrelangen Prozess hätten die Fischer zwar 1928 die Zahlung einer Entschädigung erreicht, eine wirklich effektive Kläranlage sei aber erst Anfang der 1960er Jahre gebaut worden. Die giftigen Sedimente lägen bis heute auf dem Grund der Trave .

Daniel FRAHM (Hamburg) behandelte die wirtschaftliche Bedeutung des Baues des Eiderkanals (1777–1784) für die Herzogtümer Schleswig und Holstein. Die Kanalbauarbeiten seien in öffentlicher Ausschreibung in mehreren Bauabschnitten an verschiedene Bauunternehmer u.a. aus Glückstadt vergeben worden. Handwerkern, Arbeitern und Tagelöhnern habe der Kanal sieben Jahre Beschäftigung geboten, wobei die in Zeltstädten untergebrachten Arbeiter meistens aus der Region gekommen seien. Das Baumaterial sei in den Herzogtümern erworben worden und habe Ziegeleien, Steinbrüchen und Waldbesitzern über Jahre die Abnahme gesichert. Zwar habe der Kanalbau zu einer deutlichen Zunahme des Verkehrs auf der Eider und zu einem wirtschaftlichen Wachstum etwa in Tönning und Rendsburg geführt; die mit dem Bau verbundenen großen wirtschaftlichen Hoffnungen hätten sich aber nicht erfüllt, da der Kanal zu klein für Seeschiffe gewesen sei.

Hans-Georg BLUHM (Kellinghusen) stellte verschiedene Aspekte der „Flussbiographie“ der Stör vor. Als eiszeitliche Schmelzwasserrinne entstanden, verbinde die Stör mit Geest und Marsch zwei geographisch gegensätzliche Landschaftsformen. Seit dem Mittelalter sei die Stör eine wichtige Verkehrsader gewesen, auf der sich ein bedeutender Binnenhandel mit speziellen, an das flache Fahrwasser angepassten Schiffstypen entwickelt habe. Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert habe eine Zunahme des Schiffsverkehrs und Hafenausbauten mit Kränen, Gleisanschlüssen und Ansiedlung großer Mühlenbetriebe zur Folge gehabt, bis nach dem Zweiten Weltkrieg die Schifffahrt an Bedeutung verloren habe.

Das ambivalente Verhältnis der Stadt Elmshorn zu „ihrem“ Fluss, der Krückau, problematisierte Peter Danker-Carstensen (Rostock). Einerseits habe die Krückau eine wirtschaftliche Lebensader der Stadt dargestellt – vor dem Ersten Weltkrieg war Elmshorn zweitgrößter deutscher Getreideeinfuhrhafen –, auf der anderen Seite sei sie der „Problemfluss“ gewesen, der bis zum Bau des Krückausperrwerks 1969 regelmäßig für Hochwasser in der Elmshorner Innenstadt gesorgt habe und durch die Abwässer der Lederindustrie bis in die fünfziger Jahre einer der am stärksten verschmutzten Flüsse gewesen sei. Durch die Auswertung älterer genealogisch-höfegeschichtlicher Veröffentlichungen untersuchte Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt (Glückstadt) bäuerliche Heiratsmuster in verschiedenen Orten der holsteinischen Krempermarsch. Das Heiratsverhalten sei durch eine starke Binnenorientierung geprägt gewesen, teilweise seien bei mehr als der Hälfte der Eheschließungen beide Partner aus demselben Ort gekommen. Heiraten nach auswärts seien seltener gewesen, wobei deutlich die trennende Wirkung der Nebenflüsse der Elbe festzustellen sei, die nicht nur alte Verwaltungsgrenzen, sondern auch soziale Grenzen gewesen seien. „Über den Fluss“ sei kaum geheiratet worden, wobei auch die schlechtere Bodenqualität der benachbarten Wilstermarsch eine Rolle gespielt haben könne.

Niels Petersen (Göttingen) stellte das Großbauprojekt des Alster-Beste-Kanals vor, durch den auf Betreiben Hamburgs in der ersten Hälfte des 16. Jahrhundert eine schiffbare Verbindung zwischen Hamburg und Lübeck geschaffen werden sollte. Nach vertraglicher Regelung der gemeinsamen Finanzierung durch Hamburg, Dänemark und Lübeck 1524 sei mit den Baumaßnahmen begonnen worden, die eine umfangreiche Organisation erforderlich machten. Die genaue Abrechnungen seien im Stadtarchiv Lübeck überliefert. Das Projekt habe jedoch als finanzielles Desaster geendet: Nicht nur sei der Bau weit teurer als geplant gewesen, der Betrieb des Kanals sei schon ab 1549 wieder eingestellt worden, weil die Wassermenge nicht ausgereicht habe, um die ständige Schiffbarkeit zu sichern.

Ein Projekt, das nie verwirklicht wurde, eine Kanalverbindung von der Kieler Förde über die Schwentine, Trave und Alster nach Hamburg, behandelte Detlev Kraack (Plön). Im 18. und frühen 19. Jahrhundert sei die technische Machbarkeit und die Wirtschaftlichkeit dieses Projekts intensiv durchgeplant und durchgerechnet worden; zeitweise sei sogar eine Verbindung der Trave und der Stör zur Umgehung Hamburgs in Betracht gezogen worden. In den Schleswig-Holsteinischen Provinzialberichten seien diese Planungen auch öffentlich ausführlich diskutiert und kommentiert worden, letztlich sei der Kanalbau aber politisch nicht realisierbar gewesen.

Im öffentlichen Abendvortrag gab Franklin Kopitzsch (Hamburg) einen Überblick über die vielfältigen Funktionen der Alster für die Stadt Hamburg. Wegen der wirtschaftlichen Bedeutung des Flusses habe Hamburg schon im Mittelalter die Hoheitsrechte über die Alster erworben, die der Stadt als Verkehrs- und Handelsweg, Energielieferant und Trinkwasserquelle gedient habe. Nach der Zerstörung der Wasserkunst im großen Hamburger Brand sei der Wasserspiegel nach 1842 abgesenkt worden, wodurch die Erschließung neuer Flächen für die Wohnbebauung in Uhlenhorst und Harvestehude und die Ansiedlung von Industriebetrieben an den kanalisierten Nebenflüssen möglich geworden sei. Seit dem 18. Jahrhundert habe es Ausflugsverkehr auf und Badeanstalten an der Alster gegeben, die um die Wende zum 20. Jahrhundert durch den Hamburgischen Künstlerclub auch als Bildmotiv künstlerisch entdeckt worden sei. Durch die repräsentative Bebauung in Flussnähe, die Alsterregulierung unter Fritz Schumacher und die Anlegung öffentlicher Grünanlagen habe die Alster eine wichtige Rolle in der städtebaulichen Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert gespielt.

Der zweite Tag der Tagung galt der Beschäftigung mit der Niederelbe und den Flüssen südlich und westlich der Elbe. Hansjörg Küster (Hannover) nahm die Versorgung der Großstadt Hamburg auf dem Wasserweg in den Blick. Die Elbmarschen hätten den Hamburger Markt unter anderem mit Agrarprodukten (darunter Obst aus dem Alten Land), Torf und Ziegeln beliefert. Umgekehrt sei zum Beispiel das nicht zuletzt für den Wasserbau benötigte Holz in die baumarmen Marschen geliefert worden. Die Gegebenheiten der Niederelbe hätten statt kielgebauter Boote den spezifischen Bootstypus des Ewers erfordert, der aufgrund seiner Plattboden-Konstruktion mit Stabilisatoren den gezeitengeprägten Wasserverhältnissen der Niederelbe und ihrer Nebenflüsse sowie den teils kleinen, leicht verschlickenden Häfen gerecht geworden sei.

Gegen die in der älteren Literatur vertretene Ansicht, die untere Elbe habe im Hochmittelalter eine kulturelle und soziale Grenze dargestellt, wandte sich Günther Bock (Großhansdorf). Keineswegs seien die Gebiete nördlich der Elbe auf einem archaischen gesellschaftlichen Stand stehengeblieben, vielmehr habe der Unterelberaum schon im 11./12. Jahrhundert einen Kontaktraum gebildet. Belege für Unfreie und Villikationen sowie Besitzkomplexe adliger Familien, etwa der Grafen von Stade, die über die Elbe griffen, zeigten, dass im westlichen Holstein grundsätzlich die gleichen gesellschaftlichen Verhältnisse herrschten wie links der Elbe.

Horst Hoffmann (Uelzen) behandelte die Ilmenau im Raum Uelzen. Durch die hohe Fruchtbarkeit des Bodens im Uelzener Becken habe sich schon früh eine wirtschaftlich starke und erfolgreiche Landwirtschaft ausgebildet, deren Bedeutung allerdings zurückgegangen sei. Noch heute gäbe es in der Ilmenau Flussperlmuscheln, ehemals sei die Perlenfischerei als herrschaftliches Regal betrieben worden. Für die Bevölkerung habe die Ilmenau früher eine Heiratsgrenze dargestellt, die allerdings auch unterschiedliche landwirtschaftliche Wirtschaftsweisen getrennt habe.

Christina Deggim und Andreas Schäfer (Stade) stellten die Schwinge, die als linker Nebenfluss der Elbe das Alte Land und das Land Kehdingen trennt, in historischer und archäologischer Sicht vor. Die Schwinge, die den Schiffsverkehr bis Stade ermöglicht, sei von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für die Stadt gewesen; schon im 17. Jahrhundert sei sie teilweise begradigt worden, Ende des 19. Jahrhunderts sei der Durchstich des Stader Sandes erfolgt, der die Schifffahrt behindert habe. Der im 18. Jahrhundert gebaute Oste-Schwinge-Kanal, der den Oberlauf der Schwinge mit der Oste verbindet, sei dagegen wenig genutzt worden. Seit einigen Jahren wird an der Schwinge oberhalb Stades die sogenannte „Schwedenschanze“, eine frühmittelalterliche Wallburg bei Groß Thun, archäologisch untersucht. Die sehr gut erhaltenen Bauhölzer, darunter viele sekundär verbaute Schiffsteile, erlaubten eine Datierung auf die Jahre 673–928; damit handele es sich um die älteste Burganlage zwischen Rhein und Elbe. Neben dem besiedelten Burgwall sei am Schwingeufer eine rund 30 m lange hölzerne Uferrandbefestigung ergraben worden, die auf eine Handelsfunktion hindeute. Bereits 1989 wurde im Alten Hafen in der Stader Altstadt eine Grabung durchgeführt, die mehr als 200.000 Funde mit einem sehr breitem Fundspektrum aus dem städtischen Alltag vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert ergeben hätten.

Am Beispiel der Oste zeichnete Norbert Fischer (Hamburg) das Bild einer regionalen Flussgesellschaft, die einen komplexen Umgang mit dem Wasser entwickelt habe, das sowohl als Bedrohung abgewehrt wie auch als Quelle des Wohlstands genutzt worden sei. Auf der Grundlage der laufend aktualisierten Erfahrung im Umgang mit dem „wilden“ und dem „gezähmten“ Wasser habe sich hier eine spezifische Regionalität ausgebildet. Neben dem „harten“ Umgang mit dem Wasser, für den der Deichbau stehe, habe es auch einen „weichen“ Umgang gegeben, der das Hochwasser bewusst für die Landwirtschaft genutzt habe. Im 19. Jahrhundert hätten einige Orte mit dem Bau von sogenannten Einlässen die Deichlinie gezielt durchbrochen, um die teilweise abgeziegelten Flächen in den Wintermonaten durch das Hochwasser wieder aufzuschlicken und zu düngen. In einigen Abschnitten der Oste habe es gar keine Deiche gegeben, die Ländereien seien bis ins 20. Jahrhundert regelmäßig Überflutungen ausgesetzt gewesen.

Michael Ehrhardt (Bremervörde) stellte Ergebnisse seines Forschungsprojekts zum historischen Wasserbau an der rechten Seite der Unterweser vor. Die Deichlinie sei hier über Jahrhunderte konstant geblieben. Durch Schleusen und Siele habe das Binnenwasser permanent aus den Marschen in die Weser abgeleitet werden müssen; an diesen neuralgischen Stellen hätten sich bei Sturmfluten nicht selten gefährliche Grundbrüche ereignet. Eine besondere Situation habe sich durch die Zweistaatlichkeit des rechten Weserufers ergeben, das teilweise oldenburgisch (Landwürden), sonst aber stiftbremisch bzw. später hannoversch war. Während Oldenburg schon früh eine sehr straffe staatliche Deichbauaufsicht ausgeübt habe, hätten im Erzstift Bremen die Deichbaugenossenschaften eine sehr selbständige Stellung gehabt, die von staatlichen Eingriffen kaum behelligt worden sei.

Hartmut Bickelmann (Bremerhaven) fragte nach der verbindenden Rolle der rechten Wesernebenflüsse Geeste und Lune „zwischen Stadt und Land“. Die Mündung der Geeste, an der 1827 Bremerhaven gegründet wurde, habe schon im 17. Jahrhundert zur Gründung der schwedischen Carlsburg eingeladen, die allerdings bald gescheitert sei. Der mäandrierende Fluss, der im späten 19. Jahrhundert begradigt worden sei, habe mit seinen zahlreichen kleinen Huden, Schiffstellen und Löschplätzen eine rege Schifffahrt gehabt, über die Holz und Ziegel exportiert worden seien. Auf dem Ufermarkt bei Lehe sei schon in hansischer Zeit Handel getrieben worden. Auf der Lune sei bis zum Ersten Weltkrieg Torf aus den Moorkolonien nach Bremerhaven verschifft worden, außerdem habe auch der Transport der Produkte der Ziegeleien in der Lunemarsch zur Versorgung Bremerhavens über die Lune stattgefunden.

Annette Siegmüller (Wilhelmshaven) stellte ein von der DFG gefördertes Forschungsprojekt beim Niedersächsischen Institut für historische Küstenforschung vor, das sich mit der Struktur und Funktion von Landeplätzen und Ufermärkten an der unteren Weser und der unteren Ems im ersten Jahrtausend n. Chr. beschäftigt. Ziel sei die Rekonstruktion des regionalen Wirtschaftsgefüges, wobei Fragen nach dem Anschluss an Wasserwege und nach der Uferrandnutzung der relevanten archäologischen Fundplätze von besonderer Bedeutung seien. Anhand der Beispiele einer Siedlungskammer an der Huntemündung und verschiedener Fundplätze in Nordbutjadingen stellte sie erste Ergebnisse vor. Die Bedeutung der Wasserwege zeige sich auch darin, dass römische Importware meist in Flussnähe, seltener auf der Geest zu finden sei.

Wie wandelbar die Landschaft an der Küste ist, machte der Vortrag von Antje SANDER (Jever) über die Maade deutlich, einen heute nur 10 km langen Fluss im Stadtgebiet von Wilhelmshaven, der in die Nordsee entwässert. Im Spätmittelalter habe die Maade dagegen überregionale Bedeutung gehabt, nachdem sie im 13. Jahrhundert durch Sturmfluten buchtartig erweitert und damit schiffbar geworden sei. Die an der Maade günstig gelegene Sibetsburg sei ein wichtiger Herrschaftssitz des Häuptlings Edo Wiemken geworden, habe aber 1435 auf hansischen Druck geschleift werden müssen, weil sie Seeräubern als Stützpunkt gedient habe. Herrschaft, Hafen und Handel hätten hier einen engen Zusammenhang gebildet. Später sei die Maade verlandet und habe ihre Bedeutung verloren.

Claus Veltmann (Halle/Saale) beschrieb Vorgeschichte und Geschichte des Dortmund-Ems-Kanals. Schon in den 1820er Jahren sei zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse ein Kanal rechts der Ems gebaut worden. Ende des 19. Jahrhunderts sei zur Schaffung einer vom Ausland unabhängigen Verbindung des Ruhrgebiets mit der Nordsee, die schwedische Erz-Importe, aber auch die Versorgung Wilhelmshavens mit Kohle sicherstellen sollte, der Dortmund-Ems-Kanal gebaut worden, der 1899 in Betrieb genommen wurde. Der Transport sei zunächst durch Schleppkähne erfolgt, die in den 1950er Jahren durch Selbstfahrer verdrängt worden seien. Der Kanal sei mehrmals weiter ausgebaut und dem Bedarf angepasst worden und stehe für eine industriell geprägte Kulturlandschaft.

Norddeutsche Flüsse im Winter, wenn die vereisten Gewässer ihre übliche Funktion nicht erfüllen konnten, waren das Vortragsthema von Sylvina Zander (Lübeck). Die starke Eisdecke habe nicht nur das Schlittschuhlaufen ermöglicht, sondern auch die Nutzung als Kommunikationsweg, so dass selbst die Elbe bei Hamburg mit Gespannen und Schlitten befahren werden konnte, wobei es aber immer wieder zu Unfällen gekommen sei. Gefährlich sei die Tauperiode gewesen, wenn Schleusen, Brücken und andere Wasserbauwerke durch Eisschollen beschädigt werden konnten oder gefährliche Eisstopfungen das Abfließen des abschmelzenden Wassers verhinderten. Auch beim Umgang mit dem Eis habe Erfahrungswissen eine große Rolle gespielt.

Die ertragreiche Tagung hat deutlich gemacht, welch unterschiedliche Zugänge das facettenreiche Thema des „Lebens am Wasser“ bietet, das die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Geographen, Historikern, Volkskundlern, Archäologen und Wasserbauingenieuren geradezu erfordert. Die große Spannbreite menschlichen Handelns in der Aneignung und Nutzbarmachung des Flusses, die Prägung regionaler Gesellschaften und Kulturlandschaften durch den aktiven Umgang mit dem Wasser, die verbindende und trennende Rolle des Flusses sind Aspekte, die auch künftig weiter vertieft werden sollten. Bei manchen Vorträgen wäre jedoch eine stärkere Fokussierung auf die Frage nach der Bedeutung des Flusses für die regionalen Lebenswelten wünschenswert gewesen. Die Notwendigkeit einer intensiveren überregionalen und interdisziplinären Zusammenarbeit in Norddeutschland wurde auch in der Schlussdiskussion betont. Die Veröffentlichung der Beiträge in einem Tagungsband ist geplant.

(Quelle: H-Soz-u-Kult)

 

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