Im Rahmen eines Senatsempfangs im Hamburger Rathaus wurde am 14. Februar 2017 der Agathe-Lasch-Preis von Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank an die Nachwuchswissenschaftlerin Dr. Viola Wilcken (Christian-Albrecht-Universität zu Kiel) übergeben. Der mit 5.000 Euro dotierte Förderpreis des Hamburger Senats würdigt Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, die herausragende Leistungen auf dem Gebiet der niederdeutschen Sprachforschung erbracht haben. Der renommierte Agathe-Lasch-Preis wird seit 1992 alle drei Jahre verliehen.
Das Preisgericht hatte aus sieben Arbeiten von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern zu wählen. Dr. Viola Wilcken erhält die Auszeichnung für ihre Dissertation „Historische Umgangssprachen zwischen Sprachwirklichkeit und literarischer Gestaltung. Formen, Funktionen und Entwicklungslinien des ‚Missingsch.'“ Sie widmet sich in ihrem Werk dem „Missingsch“ als einer ausgeprägten Kontaktvarietät mit niederdeutschen und hochdeutschen Anteilen. Der Jury zufolge hat es Wilcken durch eine systematische und methodisch überzeugende Analyse geschafft, die historische Entwicklung und räumliche Differenzierung der Varietät detailliert nachzuzeichnen. Wilkens Dissertation vereint dabei methodisch fundiert kontaktlinguistische, dialektologische und mediale Aspekte. Mit der Frage nach der Rekonstruierbarkeit historischer Mündlichkeit berührt sie ein aktuelles Thema der historischen Linguistik. Laut Expertinnen und Experten zeichnet sich ab, dass die Studie das Potential eines Standartwerks zum Thema „Missingsch“ besitzt. Dr. Viola Wilcken studierte Deutsch und Wirtschaft/Politik auf Lehramt an Gymnasien an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Seit 2007/08 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrende an der Niederdeutschen Abteilung des Germanistischen Seminars der Christian-Albrechts-Universität Kiel tätig.
Die Philologin Agathe Lasch, geboren am 4. Juli 1879 in Berlin, war die erste Professorin an der Universität Hamburg und erste Germanistikprofessorin in Deutschland überhaupt. 1909 an der Universität Heidelberg promoviert, lehrte und forschte sie zunächst mehrere Jahre an einem amerikanischen Frauencollege, bevor sie 1917 ihre Arbeit am Deutschen Seminar des Hamburgischen Kolonialinstituts aufnahm. Hier übernahm sie sogleich die Leitung der „Sammelstelle für das Hamburgische Wörterbuch“ und begann mit den Vorarbeiten für ein vollständiges wissenschaftliches Wörterbuch der Hamburger niederdeutschen Sprache. 1919 habilitierte sie sich an der im selben Jahr neu gegründeten Hamburgischen Universität und wurde dort 1923 zur Professorin ernannt. Im selben Jahr fasste sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Conrad Borchling den Plan, ein weiteres Wörterbuchprojekt in Angriff zu nehmen, die vollständige Neubearbeitung des „Mittelniederdeutschen Handwörterbuchs“ von Lübben/Walther. 1926 wurde sie schließlich auf das Extraordinariat für niederdeutsche Philologie berufen. Agathe Laschs Tätigkeit an der Hamburgischen Universität endete mit der Herausgabe der siebten Lieferung des Mittelniederdeutschen Handwörterbuchs im Jahre 1934.
Als Frau konnte sich Agathe Lasch auf ihrem wissenschaftlichen Weg in Deutschland gegen alle Widrigkeiten behaupten und durchsetzen, als Jüdin in Deutschland wurde sie dagegen Opfer der nationalsozialistischen Barbarei: 1934 vorzeitig aus dem Hochschuldienst entlassen, mit Publikationsverbot belegt, ihrer Bibliothek beraubt, wird sie am 15. August 1942 nach Riga deportiert und dort am 18. August, dem Tag ihrer Ankunft, ermordet.