Betriebsstörungen und tödliche Unfälle in der Pulverfabrik

Bergedorfer Zeitung, 11. Januar 1918

Auf den ersten Blick sind diese Anzeigen der Pulverfabrik Düneberg geradezu kryptisch: „Düneberg-West“ dürfte eine der Werkserweiterungen bezeichnet haben, aber die Betriebsnamen Gorn, Appel, Koth und Thesenvitz erschließen sich erst nach einem Blick in das Bergedorfer Adressbuch 1915: diese vier sind dort als „Inspektoren“, alle wohnhaft im Gutsbezirk Düneberg, aufgeführt.

Bergedorfer Zeitung, 9. Januar 1918

Den Anzeigen zufolge sollte in mehreren Bereichen der Fabrik jeweils von einem bestimmten Tag an „in alter Weise“, „voll in gewohnter Weise“ gearbeitet werden bzw. „wieder voller Betrieb“ herrschen, was logisch eine vorangegangene Einschränkung der Produktion voraussetzt. Den Grund nannten die Inserate nicht, und im redaktionellen Teil der Bergedorfer Zeitung gab es gar keine Hinweise hierzu.

Bergedorfer Zeitung, 10. Dezember 1917

Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass es in Teilbereichen Zerstörungen durch Explosionen gegeben hatte, worüber wohl nicht berichtet werden durfte. Über das Ausmaß kann man ebenfalls nur Vermutungen anstellen, aber betroffen waren nur einzelne „Betriebe“ der kleinteilig strukturierten Fabrik, es gab keine Totalzerstörung wie in Quickborn (siehe den Beitrag Explosion in Sander Fabrik). Folgt man der Darstellung des Enkels eines Düneberger Arbeiters bei Karl Gruber (S. 26f.), gab es „ab und zu“ beim Pulverwalzen Explosionen, die „meistens nicht tragisch“ waren und gelegentlich sogar absichtlich herbeigeführt wurden, „um zu einer möglichst vollen Mittagspause oder zu einem pünktlichen Feierabend zu kommen.“ Volker Ullrich (S. 73f.) hingegen zitiert eine Meldung aus dem „Hamburger Echo“ vom 16. September 1917, die solche Ereignisse sehr viel kritischer erscheinen lässt: „Es vergeht kein Tag, an dem nicht eine Anzahl mehr oder weniger schwer verbrannt aus dem Betrieb geschafft werden müssen.“ Das Foto einer zerstörten Presse bei Gruber (a.a.O., S. 31) verdeutlicht die Wucht, die eine solche Explosion haben konnte.

Bergedorfer Zeitung, 16. Januar 1918

Bergedorfer Zeitung, 18. Januar 1918

Es gibt Grund zu der Annahme, dass mindestens eine der Explosionen, die es in Düneberg binnen weniger Wochen gegeben hatte, nicht glimpflich ausging, sondern tödlich: „nach kurzem schweren Leiden“ verstarb laut Traueranzeige der Familie am 15. Januar die Bergedorferin Johanna Dinkel. Eine weitere Annonce folgte: „die Arbeiter und Arbeiterinnen der Neuen Fabrik Düneberg, Abt. Röhrenpressen“ hatten diese für ihre Kollegin in die Zeitung setzen lassen.

Eine ähnliche Anzeige der Arbeiterinnen und Arbeiter der Neuen Fabrik, Reibwerke I – III, erschien in der Bergedorfer Zeitung vom 6. März 1918 für einen „plötzlich verstorbenen“ Arbeiter. Auch hier kann man vermuten, dass eine Explosion oder ein anderer Arbeitsunfall zum Tode führte und die Kolleginnen und Kollegen durch diese öffentlichen Bekundungen zugleich gegen unzureichende Sicherheitsvorkehrungen bei ihrer gefährlichen Arbeit protestieren wollten.

Entsprechende Inserate der Werksleitung gab es nicht – sie beschränkte sich im Herbst 1917 auf zwei Sammelanzeigen für „den Heldentod für das Vaterland“ gestorbene Werksangehörige (BZ vom 27. Oktober und 2. November 1917), in denen sie versicherte: „Ein ehrendes Andenken wird den Gefallenen allzeit bewahrt werden.“ Todesopfer im eigenen Betrieb wollte das Direktorium wohl lieber vergessen.

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