Das Friedensgeschrei

Bergedorfer Zeitung, 10. Januar 1918

Zumindest in der Online-Ausgabe des Duden sucht man das Wort „Friedensgeschrei“ vergeblich, das hier in diesem Brief „aus dem Felde“ an den Vaterländischen Frauenverein für Geesthacht und Umgegend auftauchte – das gebräuchlichere „Kriegsgeschrei“ ist dagegen verzeichnet. Der Verfasser des Briefes bedankte sich zunächst artig für die übersandten Liebesgaben und gab dann seiner Hoffnung Ausdruck, dass „der große Frieden, der nur nach einem deutschen Sieg kommen kann, endlich erblühe.“

Er sah den militärischen Sieg aber gefährdet, und dafür machte er nicht etwa die militärischen Führer  Hindenburg und Ludendorff verantwortlich, sondern die Heimat: sie habe Schuld auf sich geladen, die schwerer wöge als die entgegengebrachte Liebe zu Weihnachten: die Heimat habe „erste Unzufriedenheit“ unter die Soldaten gebracht „durch ihre Zwistigkeiten, Murren und Friedensgeschrei“.

Den „Besserwissern“ wollte er also das Handwerk gelegt sehen, was eindeutig auf die Befürworter der Friedensresolution des Reichstags zielte (siehe den Beitrag Große Politik in Bergedorf). Diese Haltung fand sich auch in anderen Artikeln der BZ aus diesen Wochen: so wurde ausführlich ein in der Schweiz lebender Geistlicher aus Neumünster zitiert, „daß nur der von allen guten Geistern verlassene Wahnsinn dem Verzichtfrieden in irgend einer Form das Wort reden kann“ (BZ vom 6. Januar 1918), und ein ungenannter Leitartikler sah die inneren Feinde am Werk: „im Rücken unseres tapferen Heeres wühlen böse Geister“ (BZ vom 7. Januar 1918).

War in diesem „Dankbrief aus dem Felde“ eine Vorwegnahme der Dolchstoßlegende enthalten, also der Behauptung Hindenburgs, Ludendorffs und anderer, dem deutschen Heer sei die Heimat in den Rücken gefallen und habe so die Niederlage verursacht?

 

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