Wenig Arbeit für den Arbeitsnachweis

Bergedorfer Zeitung, 7. Januar 1918

Überlaufen war die weibliche Abteilung des öffentlichen Arbeitsnachweises in Bergedorf mit 109 Fällen in sieben Monaten sicher nicht, und leider wird nicht klar, in wie vielen Fällen tatsächlich vermittelt werden konnte. Über die Tätigkeit der männlichen Abteilung wurde – ebenso leider – gar nicht berichtet, aber ältere Männer waren ohnehin meist vom Vaterländischen Hilfsdienst requiriert, und jüngere waren beim Militär.

Die Arbeitgeber aus „Handwerk, Handel und Fabrik“ suchten ihre Mitarbeiterinnen offenbar lieber selbst und ggf. über Annoncen in der Bergedorfer Zeitung, aber auch die waren im letzten Quartal 1917 rar geworden: die Munitionsfabrik Weiffenbach suchte „Arbeiterinnen für Pressen“ und „kräftige Erdarbeiterinnen“ (BZ vom 2. Oktober und 15. Dezember 1917), die Dynamitfabrik Krümmel brauchte „kräftige Frauen und Mädchen“ (BZ vom 5. November 1917), die „Trockenanlage Schleusendeich“ wollte „Arbeiterinnen“ einstellen (BZ vom 28. Dezember 1917). Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass vor allem Betriebe der Rüstungswirtschaft größeren Bedarf an Arbeiterinnen hatten – die übrige Wirtschaft lag weitgehend darnieder.

Die „Trockenanlage Schleusendeich“ (wohl der heutige Kurfürstendeich), über die aus der BZ sonst nichts zu erfahren war, wird sich mit der Haltbarmachung von Lebensmitteln wie Rüben und Kartoffeln befasst haben – auch eine „Kriegserrungenschaft“.

Bergedorfer Zeitung, 14. Dezember 1917

Bergedorfer Zeitung, 5. Januar 1918

Andere Anzeigen aus Bergedorf im Dezember 1917 bezogen sich fast ausschließlich auf Hauspersonal. Haushalte aus den besseren Wohnlagen suchten: eine (einfache) Stütze, eine Waschfrau, eine Morgenfrau, ein Tag- oder Morgenmädchen, ein besseres Mädchen, ein Haus-, Klein-, Allein- oder Dienstmädchen – soweit der Lohn genannt wurde, lag er zwischen 30 und 40 Mark im Monat. Attraktiv war das sicher nicht: die Rüstungsbetriebe zahlten besser.

Nur wenige boten eine Alternative: eine „hiesige Firma“ suchte eine bilanzsichere Buchhalterin, der Textileinzelhändler Heinrich Wenck brauchte eine Verkäuferin und der Kartonagenhersteller Max Armbruster & Co. wollte eine Vorarbeiterin einstellen. Der Schneidermeister Otto Brockmann wollte sogar weibliche Lehrlinge für die feine Schneiderei annehmen und Vergütung zahlen (BZ vom 5. Januar 1917) – das war das einzige Lehrstellenangebot für Mädchen in diesem Zeitraum.

Trotz allem fanden in der Aula der Stadtschule „Vorträge über die Berufswahl der Knaben und Mädchen“ statt (BZ vom 12. Januar 1918), und es gab im Frühjahr auch einzelne Lehrstellenangebote für beide Geschlechter. Die Klage von Handwerksbetrieben, dass die höheren Löhne der „Kriegswerkstätten“ zur Abwanderung von Lehrlingen dorthin führten (BZ vom 31. Dezember 1917), zeigt andererseits, dass in vielen Fällen das Geld der Ausbildung vorgezogen wurde.

Den Arbeits- und Ausbildungsmarkt nach Kriegsende (nicht nur) in Bergedorf kann man sich vorstellen.

 

 

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