Vom Autokarussell und von elektrischen Bahnen

Bergedorfer Zeitung, 14. September 1917

Ein wenig Spaß und Vergnügen gab es doch noch, allen Widrigkeiten zum Trotz: der Bergedorfer Schausteller Hermann Bade warb für sein am Portici aufgestelltes Karussell, das dem Trend der Moderne folgend nicht mit Pferdchen, sondern mit Autos ausgestattet war und elektrisch angetrieben wurde. Bilder sind leider nicht verfügbar.

Aber wo der eine Spaß haben möchte, steht der andere schon auf der Spaßbremse:

Bergedorfer Zeitung, 8. September 1917

eine Woche vorher hatte der Reichskommissar für Gas und Elektrizität, Prof. Kübler, die „völlige Einstellung einer großen Anzahl elektrischer Bahnen“ gefordert, denn die im Beitrag Keine Kohle, kein Gas, aber große Kälte geschilderte Knappheit an Kohle bestand weiterhin.

Mangels elektrischer Bahnen im Raum Bergedorf konnte Küblers Forderung wohl nur das Badesche Karussell betreffen – der Großraum Hamburg/Altona dagegen war auf diese Bahnen angewiesen, die Millionen von Fahrgästen beförderten: zwar gab es noch „Pferdebahnen“, doch seit ihrer Einführung 1894 verkehrten auf immer mehr wichtigen Linien „Elektrische“ (zur Geschichte der Straßenbahn in Hamburg siehe Horst Buchholz). Die „Stadt- und Vorortsbahn“ feierte 2007 das hundertste Jubiläum des elektrischen Betriebs (zur Hamburger S-Bahn siehe Lothar Nissle) und hatte Anfang 1918 die „Alstertalbahn“ von Ohlsdorf nach Poppenbüttel endlich in Betrieb nehmen können (BZ vom 12.Januar 1918). Die mit Strom aus eigenem Kraftwerk versorgte Hochbahn hatte 1912 die „Ringlinie“ komplettiert und bis 1915 mehrere „Seitenäste“ dazubekommen und konnte im Januar 1918 auch die Strecke Ohlsdorf – Langenhorn eröffnen (zur Hamburger Hochbahn siehe Reinhard Krause). Wenn es bei diesen Verkehrsmitteln Betriebseinschränkungen oder -stilllegungen gab, waren sie durch das Fehlen von Kohle bzw. Koks zur Stromproduktion verursacht.

Ob Bade der Betrieb seines Karussells untersagt wurde, ist nicht festzustellen. Jedenfalls inserierte er am 21. September erneut in der BZ – ob er anschließend zu einem Jahrmarkt weiterziehen konnte, ist fraglich, denn viele Vergnügungsmärkte wurden abgesagt, so in Bergedorf und Sande und sogar der Dom in Hamburg  (BZ vom 16. August und 15. Oktober 1917).

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