Spendables Bergedorf – knauseriges Sande? Die Gabenverzeichnisse der Kriegsfürsorge

Seit Kriegsbeginn wurde in Deutschland, natürlich auch in Bergedorf und Sande, kontinuierlich für die jeweilige örtliche Kriegsfürsorge gesammelt. Die Ergebnisse für Bergedorf und Sande wurden als „Gabenverzeichnisse“ regelmäßig in der Bergedorfer Zeitung publiziert, und aus diesen Verzeichnissen kann man einige Schlüsse ziehen, wobei hier kurzfristige (teils wiederholte) Sammelaktionen wie z. B. der Tabaktag, die Kaisersgeburtstagsspende und Reichswollwoche, die Ostpreußenhilfe (BZ vom 8. Oktober 1914), die Hindenburgspende (BZ vom 21. Januar 1916) und die U-Boot-Spende (BZ vom 30. April 1917) nicht betrachtet werden, auch nicht die „Hilfe für deutsche Kriegsgefangene“ (z.B. BZ vom 15. Mai 1917).

Bergedorfer Zeitung, 7. August 1917

Bergedorfer Zeitung, 23. Juni 1917

Das 29. Gabenverzeichnis der Kriegshilfe Sande listet die Ergebnisse für die ersten drei Kriegsjahre auf. Der Rückgang des Spendenaufkommens ist unschwer zu erkennen: im ersten Kriegsjahr im Monatsdurchschnitt 1.357,61 Mark, im Folgejahr monatlich 379,30 Mark und 1916/17 nur noch 210,50 Mark pro Monat, ein Rückgang um 84 Prozent.

Für Bergedorf fehlt eine vergleichbare zusammenfassende Darstellung, sodass aus den einzelnen Verzeichnissen ein Monatsdurchschnitt errechnet werden musste, der zumindest die Größenordnung verdeutlicht: 1914/15: 9.685,82 Mark, 1915/16: 5.122,21 Mark, 1916/17: 4.587,66 Mark. Auch in Bergedorf sank also das Aufkommen, aber in sehr viel geringerem Maße auf knapp die Häfte (Rückgang um 53 Prozent).

Bergedorf (1914: 15.791 Einwohner) war nicht nur deutlich größer als Sande (1914: 7.072 Einwohner), seine Kriegsfürsorge erhielt in der bisherigen Gesamtsumme auch fast das Zehnfache an Spenden (223.572,96 Mark zu 23.369,48 Mark), was durch das unterschiedliche Einkommens- und Vermögensniveau zu erklären ist: das Bergedorfer Villenviertel bot wohlhabenden Bergedorfern und Hamburgern angenehme und großzügige Verhältnisse – Sande hingegen war primär ein „Bergedorfer Arbeitervorort“ (Ulf-Peter Busse, in: Kultur- und Geschichtskontor (Hrsg.): Lohbrügge, Band 2, S. 57).

Betrachtet man die oben wiedergegebenen Gabenverzeichnisse genauer, so fallen weitere Unterschiede auf: in Bergedorf gab es erhebliche Einnahmen aus (kulturellen) Veranstaltungen und mehr als dreißig namentlich genannte Einzelspender (darunter viele Kaufleute, siehe Bergedorfer Adressbuch 1915, auch zu den nachfolgend Genannten), aus „Steinen und Silbersachen“ wurden 171,65 Mark zugeführt – aus Sande 5,05 Mark „für Metallerlös“ und 5 Mark „für von den Schulkindern verkaufte Lumpen“, während eine Verlosung der Bergedorfer Mädchenschule 1.527 Mark erbrachte. Einige besonders spendenfreudige Bergedorfer zahlten sogar in beiden Orten ein: der Geheime Sanitätsrat Dr. Tiedemann und die mit dem Bergedorfer Emaillirwerk verbundenen Fabrikanten Daniel Schoening und Felix Christian – neben der der Ehefrau des Ziegeleibesitzers Günther kam also nur eine Einzelspende aus Sande: die des Arztes Dr. Behrends.

Waren die Sander knauserig – oder waren sie finanziell am Ende? Letzteres ist wahrscheinlicher. Waren die Bergedorfer großzügig? Zumindest nicht alle, von denen man Spenden hätte erwarten können, denn der Wohlstand war trotz des Krieges sicher nicht auf gut dreißig Personen beschränkt. Dass – soweit feststellbar – keine Arbeiter (sondern nur Angehörige des Bürgertums) unter den Gebern waren, lässt vermuten, dass diese trotz gestiegener Löhne jeden freien Groschen in die Versorgung stecken mussten, in Bergedorf wie in Sande.

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