Die Plünderung der Oberelbe

Bergedorfer Zeitung, 28. Juli 1917

Wenn alle bei Geesthacht Fischfangberechtigten gleichzeitig ihr Recht nutzten, muss ein ziemlich reger Betrieb geherrscht haben: nicht nur der Altkätner J. Elvers, der das Fangrecht von der Gemeinde Geesthacht gepachtet hatte, war in seinem Fangboot auf der Elbe, sondern auch sechzehn „Berufsfischer“ tummelten sich hier, die aufgrund des hamburgischen Gesetzes betr. die Kriegsfischerei auf der (hamburgischen Häfte der) Oberelbe hier ihre Netze auswarfen. Sie wurden beobachtet von den vierzig Angelkarteninhabern Geesthachts, die für 50 Pfennige Gebühr von Land aus ihre Hungerpeitschen in die Elbe bzw. den Geesthachter Hafen halten durften.

Bergedorfer Zeitung, 13. April 1917

 

 

 

 

 

 

Ein Stück stromab, zwischen Geesthacht und Altengamme, brauchte man den Fischereischein aus Besenhorst, denn hier war die Elbe auf ganzer Strombreite preußisch; auch Fischer aus Drage vom südlichen Elbufer gingen in diesem Bereich ihrem Gewerbe nach. Da kann es kaum überraschen, dass Grenzverletzungen vorkamen und vor Gericht endeten (siehe BZ vom 30. Januar 1915, 19. Januar und 20. August 1917).

Vor Einführung des Kriegsfischereigesetzes (nachzulesen in der Gesetzsammlung der freien und Hansestadt Hamburg 1917) im März hatten die Elbfische offenbar vor allem auf nicht-menschliche Fressfeinde zu achten, denn in der Begründung des Gesetzes hieß es: „Die Fischerei an der Oberelbe ist von den Fischereiberechtigten entweder überhaupt nicht oder nur in sehr beschränktem Umfange ausgeübt worden.“ Zwischen Einbringung des Gesetzentwurfs durch den Senat und Beschluss der Bürgerschaft vergingen gerade einmal fünf Tage, denn man wollte die Stintsaison nicht verpassen. Im Mai wurden weitere Regelungen per Senatsverordnung geändert: das Mindestmaß für den Zander wurde von 35 cm auf 28 cm reduziert, die Frühjahrsschonzeit wurde weitgehend aufgehoben und der wöchentliche „Ruhetag“ von Sonnabend 18 Uhr bis Sonntag 18 Uhr wurde (außer für Angler) abgeschafft, kurz: die Fischbestände sollten geplündert werden.

Bergedorfer Zeitung, 30. März 1917

Dieses Gesetz griff allerdings in Rechte Dritter ein, da „an gewissen Ufergrundstücken dingliche Fischereirechte Privater“ hafteten und bestehende Pachtverträge betroffen waren. Deshalb sah das Gesetz eine pauschale Entschädigungsregelung vor, die aber ziemlich verwaltungsaufwändig gewesen sein dürfte: die neu zugelassenen Berufsfischer mussten den gesamten Fang abliefern; vom Reinerlös behielt die Fischereidirektion zehn Prozent ein, um diese an die bisherigen Fischereiberechtigten und staatlichen Fischereipächter nach Größe der Oberfläche der Gewässerstrecke auszuzahlen (ob die Flächenberechnung den Hoch- oder Niedrigwasserstand zugrundelegte, bedürfte weiterer Recherche).

Bergedorfer Zeitung, 10. Juli 1917

Wer ein „altes“ Fischfangrecht besaß, konnte seinen Fang frei verkaufen, wie die nebenstehende Anzeige des Fischers Hein Hars belegt. Er betrieb für etwa zwei Wochen auch die Annahmestelle Zollenspieker nach „neuem“ Recht, dann wurde diese nach Tönnhausen (an der Ilmenau) verlegt (siehe BZ vom 16. April 1917).

Abschließend eine Anmerkung zum Begriff „Oberelbe“: laut Internationaler Kommission zum Schutz der Elbe ist heute unter Oberelbe der Flussabschnitt von der Elbequelle bis Schloss Hirschstein zu verstehen, die Mittelelbe reicht bis zur Staustufe Geesthacht, und der 142 km lange Abschnitt von dort bis zur Mündung wird als Unterelbe bezeichnet. 1917 galt als „Oberelbe“ der gesamte Strom oberhalb der Elbbrücken (§ 1 des Gesetzes betr. die Kriegsfischerei auf der Oberelbe). Eine Bekanntmachung des Senats wiederum rechnete den „Hauptstrom der Elbe bis Zollenspieker aufwärts“ zum Gebiet der Küstenfischerei (siehe BZ vom 23. November 1917). Ob diese unklaren Grenzen einem Fisch halfen, durch die Maschen zu schlüpfen, muss bezweifelt werden.

 

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