Die Frauenemanzipation und das Arbeitsamt in Bergedorf

Bergedorfer Zeitung, 4. Juni 1917

Eine von der Stadt getragene Frauenarbeitsmeldestelle, die auch Vermittlung unternahm und geleitet wurde von „M. Hipp“ (wahrscheinlich die angesehene Mitgründerin der Luisenschule Mathilde Hipp, siehe BZ vom 18. September 1917) wäre einige Zeit vorher noch undenkbar gewesen, aber durch den Krieg waren viele Männer aus ihren Beschäftigungsverhältnissen gerissen worden und mussten durch Frauen ersetzt werden. In aller Regel waren die Frauen Lückenbüßerinnen – in den Anzeigen wurden meist Arbeiterinnen  für die Rüstungsindustrie und für Erdarbeiten gesucht. Es gab aber auch „weibliche Hilfsbriefträger“ (BZ vom 19. Januar 1916), Geesthacht stellte zwei „weibliche Hilfskräfte“ für das Gemeindeamt ein (BZ vom 21. Dezember 1916), in Bergedorf und Geesthacht waren „Lehrerinnen als Vertretung“ eingesetzt (BZ vom 5. Mai und 16. Oktober 1916), Frauen durften „vorläufig“ als Gerichtsschreiber arbeiten und in Militärschreibstuben eingesetzt werden (BZ vom 11. und 18. Dezember 1916) – sie sollten arbeiten, aber sie sollten nicht ihre „gemeinnützige Wirksamkeit“ in der „öffentlichen Wohlfahrtspflege“ aufgeben (in der sie zumeist ehrenamtlich tätig waren, BZ vom 17. Januar 1917).

Aufgabe der hier erstmals in der BZ genannten Stelle sollte sicher nicht die Förderung der Frauenemanzipation sein, sondern die Deckung des aktuellen Arbeitskräftebedarfs, aber die ausdrückliche Nennung der „Frauenberufsberatung“ weist über das Kriegsende hinaus: es sollten auch Lehrstellen vermittelt werden, womit die Erwerbstätigkeit von Frauen gestärkt würde. Schon im Vorjahr war bei einem Vortragsabend des Bergedorfer Frauenvereins jungen Frauen eine Berufsausbildung empfohlen worden, siehe den Beitrag Heiratsmarkt und Arbeitsmarkt. Für viele Frauen wird diese Perspektive jenseits von Krieg, Küche und Kindern attraktiv gewesen sein – für Männer, die aus dem Krieg zurückkehrten, eher nicht: auf Reichsebene hatte ein „Deutscher Bund gegen die Frauenemanzipation mit Unterstützung von 88 Beamten-, Angestellten- und anderen Vereinen“ sogar eine Bittschrift an den Reichstag gesandt, nach der Frauen den Kriegsheimkehrern keine Arbeitsplätze wegnehmen sollten und „eine amtliche Unterstellung der Männer unter Frauen ausgeschlossen“ sein sollte (BZ vom 23. Januar 1917).

Bereits emanzipiert (zumindest in beruflicher Hinsicht) war sicher die Bergedorferin Elli Becker, die Ende 1917 an der Universität Heidelberg das medizinische Staatsexamen ablegte (siehe BZ vom 23. November 1917).

Bergedorfer Zeitung, 16. Juni 1917

Die Frauenarbeitsstelle war Teil des neugeschaffenen „öffentlichen Arbeitsnachweises“, über dessen Ausgestaltung (paritätische Besetzung durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter?) und auch Aufgabengebiet (nur gewerbliche und hauswirtschaftliche Arbeit?) es seit Anfang 1916 kontroverse Diskussionen gegeben hatte (siehe BZ vom 25. Mai 1917 und den Beitrag Bergedorfs Stadtparlament …). Die im Beitrag Von Kriegsnot … genannte Einrichtung hatte sich offenbar auf Vermittlung in die Landwirtschaft und in die Fabriken Düneberg und Krümmel beschränkt und tauchte nach 1914 nicht mehr in der BZ auf.

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