Die Erdgasquelle von Neuengamme

Bergedorfer Zeitung, 16. Mai 1917

Auch wenn man Teile des Artikels eher erschließen muss als lesen kann, ist er es wert hier wiedergegeben zu werden, denn er handelt von der Erdgasquelle in Neuengamme.

Diese war bei Probebohrungen zur Wasserförderung am 3. November 1910 aufgebrochen und hatte sich am folgenden Tag entzündet, woraus das sogenannte „Flammenkreuz von Neuengamme“ entstand, das auf den unten wiedergegebenen Ansichtskarten zu sehen ist und einen Touristenansturm mit verschiedenen Begleiterscheinungen auslöste:

Broschüre „Das Wunder von Neuengamme bei Bergedorf“, Druck und Verlag von W. Nölting, Hamburg o. J. (1910), S. 5

es gab Sonderzüge nach Bergedorf, der Geschäftssinn (nicht nur) der Vierländer kam zur Anwendung, Ansichtskarten wurden gedruckt und mindestens eine Broschüre in den ersten Wochen nach der Katastrophe, betitelt „Das Wunder von Neuengamme bei Bergedorf“, u. a. den Hergang des Unglücks und die bis dato erfolglosen Versuche, das Feuer zu löschen, schildernd. Für den einstündigen Fußmarsch ab Bergedorf empfahl diese Broschüre den Oberen Landweg – die Strecke über den Curslacker Neuen Deich zur Brandstelle am Kirchwärder Landweg wäre wohl kürzer gewesen, wie eine (spätere) Karte der Vierlande zeigt, auf der die „Gasquelle“ (fast im Mittelpunkt der Karte) eingezeichnet ist.

Erst am 21. November konnte das unkontrollierte Feuer gelöscht werden; es folgte einige Zeit des teilweise kontrollierten Ablassens des Gases. Danach begannen die Vorbereitungen zur Nutzung der Quelle: eine 15,3 km lange Leitung wurde zum Gaswerk Tiefstack verlegt und seit 1913 wurde dort das Erdgas dem aus Kohle gewonnenen Stadtgas beigemischt (siehe den Aufsatz von Dieter Farrenkopf, in: Vierlande. Kulturgeschichte zwischen Elbe und Bille Band 3, S. 8 – 13). Auch die Ballonfahrer freuten sich: mindestens ein Mal wurde an der Neuengammer Quelle ein Ballon mit dem Gas befüllt, wie die folgende Ansichtskarte belegt:

Ansichtskarte einer Ballonfüllung, gestempelt Bergedorf 27. August 1911

In Bergedorf (und natürlich auch Neuengamme, siehe BZ vom 27. November 1914) ärgerte man sich mächtig, dass nur die Stadt Hamburg von der Förderung profitierte: während Bergedorf unter der „Gaskalamität“ (Produktionsausfälle, Druckabsenkungen, Preiserhöhungen – siehe den Beitrag Keine Kohle, kein Gas …) zu leiden hatte, erhöhten die Hamburger Gaswerke bei Kohlenmangel den Erdgasanteil (siehe BZ vom 5. März 1917), und so kann man gut verstehen, dass die Bergedorfer Zeitung einen neidischen Blick nach Hamburg richtete und fragte, wieviel Erdgas schon gefördert wurde und welche „Ersparnisse“ die Gaswerke erzielten.

Antworten auf diese Fragen waren allerdings schon in der BZ zu lesen gewesen; im Vorjahr hatte sie einen Artikel aus der „Weser Zeitung“ wiedergegeben: demnach betrug die jährliche Förderung „15 Mill. cbm“, die zu einer „Reineinnahme von mehr als zwei Millionen Mark“ führte (siehe BZ vom 11. September 1916).

Das befürchtete Versiegen der Quelle ließ aber noch auf sich warten: bis zur Produktionseinstellung 1930 lieferte die Quelle etwa 250 Mill. cbm. Vom Bohrloch, das 2002 in zwei Metern Tiefe endgültig verschlossen wurde, ist heute nichts mehr zu sehen (siehe Farrenkopf, ebd.).

Das „Flammenkreuz von Neuengamme“, kolorierte Ansichtskarte von 1910

Textseite der Ansichtskarte

Ansichtskarte von 1910, Rückseite unbeschrieben

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