Keine Kohle, kein Gas, aber große Kälte

Bergedorfer Zeitung, 7. Februar 1917

Bergedorfer Zeitung, 7. Februar 1917

Die Bekanntmachung des Bergedorfer Gaswerks, dass wegen Kohlenmangels kein Gas produziert werden könne, dürfte die Bergedorfer, Sander und Geesthachter Gaskunden hart getroffen haben, denn es war ausgesprochen kalt: zwei Tage vorher hatte die BZ eine Nachttemperatur von –20 Grad gemeldet. Bei Geesthacht gab es „Eisstand“, d.h. dass keine Eisschollen mehr mit dem Elbstrom abflossen (siehe BZ vom 5. Februar 1917). Ein paar Tage später herrschte von Zollenspieker bis oberhalb Hitzacker „ein reger Verkehr“ über das Eis, erst eine Woche später konnten die Eisbrecher die „Eisbrücke“ bei Zollenspieker aufbrechen; weitere drei Tage brauchten sie bis Geesthacht (siehe BZ vom 9., 16. und 19. Februar 1917).

Bergedorfer Zeitung, 6. Februar 1917

Bergedorfer Zeitung, 6. Februar 1917

Die Appelle zur Verbrauchseinschränkung und das Verbot der Schaufensterbeleuchtung (siehe BZ vom 29. und 30. Januar 1917) hatten nicht ausgereicht, um die geringen Kohlevorräte zu strecken. Drei Tage lang konnte gar kein Gas produziert werden, dann zeitlich eingeschränkt und mit vermindertem Druck (siehe BZ vom 10. Februar). Diese Einschränkungen trafen auch die Bergedorfer Zeitung (und sicher viele andere Betriebe), die ihren Umfang reduzieren musste, und nicht zuletzt die Volksküchen, soweit sie mit Gas kochten.

Der Bedarf des Gaswerks konnte also nur zum Teil gedeckt werden; auch am 23. Februar gab es kein Gas, danach wieder mit „Sperrzeiten“ (siehe BZ vom 22. und 24. Februar). Solche Teil- und Totalausfälle kamen immer wieder vor, und im Mai erklärte das Werk, dass es künftig auf entsprechende Bekanntmachungen verzichten werde (siehe BZ vom 14. Mai). Besonders serviceorientiert war das nicht.

Der Kohlenmangel betraf natürlich nicht nur das Bergedorfer Gaswerk, sondern (mindestens) den ganzen Bereich des stellvertretenden Generalkommandos des IX. Armeekorps, das mit neuen Verordnungen des Mangels Herr zu werden suchte: schon Ende Januar war jegliche Schaufensterbeleuchtung verboten worden, ab Mitte Februar durften Kirchen, Säle, Kinos, alle Schulen (mit Ausnahme der Volksschulen) nicht mehr beheizt werden. Das Volksschul-Privileg nützte in Geesthacht allerdings nichts, denn dort hatte die Schule gar keine Kohle und der Unterricht fiel wochenlang aus. Ansonsten konnten vorhandene Vorräte mit besonderer Genehmigung aufgebraucht werden, sodass z.B. das Konzert der Hasse-Gesellschaft in der laut Anzeige „gut geheizten“ Aula der Stadtschule stattfinden sollte, während in Kirchwärder die Gottesdienste ausfielen. Die Hauptversammlung des Bergedorfer Bürgervereins fand ungeheizt statt, die Bücherhalle verschob ihren Unterhaltungsabend, und Ohffs Badeanstalt (Brunnenstraße 81) hatte nur noch an vier Wochentagen geöffnet, um einige weitere Beispiele zu geben (siehe BZ vom 30. Januar, 15. und 21. Februar, 3., 6., 8. und 9. März 1917). Zudem wurde die Ladenschlusszeit um eine Stunde vorverlegt und erst sechs Wochen später wieder auf 19:00 Uhr, Sonnabends und für Lebensmittelgeschäfte, Apotheken und Zeitungsverkaufsstellen 20:00 Uhr festgesetzt (siehe BZ vom 23. Februar und 4. April 1917). Auch der Bezug von Feuerungsmaterial, vulgo Kohlen, wurde in Bergedorf rationiert auf 50 Liter Steinkohle oder 75 Briketts pro Woche und Haushalt; Betriebe konnten bei nachgewiesenem größeren Bedarf „Feuerungsbezugsscheine“ erhalten, doch Karten und Scheine gaben „keinen Anspruch auf Lieferung …; sie sollen lediglich zur Regelung der Verteilung dienen.“ (Siehe BZ vom 6. März 1916.)

Nur selten dürfte die Hoffnung auf einen warmen Frühling so ausgeprägt gewesen sein wie in diesem.

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