Hatte die Hamburgische Jugendkompagnie Nr. 51 Bergedorf (siehe hierzu die u.a. die Beiträge Die Feldbefestigung in Bergedorf und Heldentod und Jugendwehr) ein neues Mitglied gewonnen, für das nun ein Anzug beschafft werden musste, war ein „Jungmann“ aus seinem Anzug herausgewachsen oder war sein Anzug zerschlissen? Gesucht wurde jedenfalls ein gebrauchter Anzug, vielleicht wegen Geldmangels, vielleicht aus anderen Gründen – dazu unten mehr.
Eine Fotoansichtskarte aus dem Jahr 1918 gibt einen Eindruck der uniformähnlichen Kleidung der Bergedorfer Jugendwehr: Schirmmütze mit Kokarde, am linken Arm eine Binde, Stiefel mit Wickelgamaschen oder Schaftstiefel zu Kniebundhose, die Jacke bis zum Hals zu knöpfen, dunkler Stoff, die Kompagnietrommler mit Epauletten, die Kleidung der Offiziere (davon einer mit Ordensband) unterschiedlich.
Farben sind einer Schwarzweißfotografie natürlich nicht zu entnehmen, aber in der Bergedorfer Zeitung waren Hinweise zu finden: die Stofffarbe muss feldgrau gewesen sein, sonst hätte die Verwechslungsgefahr mit der Soldatenuniform nicht bestanden, und die Armbinde wird die hamburgischen Landesfarben rot-weiß gezeigt haben.
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Ein gebrauchter Anzug war, um auf die Anzeige zurückzukommen, eventuell schlicht leichter zu beschaffen als ein neuer (obwohl die Anzeige mehrfach erschien), denn seit einiger Zeit gab es „Web-, Wirk- und Strickwaren“ nur noch auf Bezugsschein; nicht einmal ein Feudel konnte ohne einen solchen gekauft werden (siehe BZ vom 24. August 1916). Im Landgebiet waren diese Scheine bei hierfür von der Landherrenschaft benannten Vertrauensleuten (in den meisten Fällen einer der Dorfschullehrer) zu beantragen, die die Anträge prüften – ausgestellt wurden die Bezugsscheine dann im Bureau der Landherrenschaften in Hamburg. In Geesthacht waren „sämtliche Mitglieder der Kriegskommission“ Vertrauensleute (siehe BZ vom 28. Juli 1916).
In Bergedorf entschied eine neunköpfige Kommission, der auch drei Frauen mit recht unterschiedlichem Hintergrund angehörten. Durch die Anschriften erfährt man etwas mehr über diese drei: Johanna Podeyn dürfte die Ehegattin des Polizei-Assistenten Wilhelm Podeyn gewesen sein, Frau Schmidt die des Fabrikarbeiters Wilhelm Schmidt (siehe Bergedorfer Adressbuch 1915). Elisabeth Thomann stand in Bergedorf in hohem Ansehen, u.a. als niederdeutsche Schriftstellerin und Dichterin des Bergedorf-Liedes (siehe Bergedorfer Personenlexikon).