Heiratsmarkt und Arbeitsmarkt

Bergedorfer Zeitung, 31. März 1916

Bergedorfer Zeitung, 31. März 1916

„Was sollen unsere Töchter werden?“ Auch damals eine durchaus spannende Frage, besonders für die Töchter aus besserem Hause und ihre Mütter, die im Bergedorfer Frauenverein organisiert waren. Bis Mitte 1914 war die Antwort wohl einfach „Ehefrau“ gewesen, aber der Krieg hatte die Verhältnisse geändert: viele potentielle Bräutigame waren zum Militär eingezogen worden, was „die Heiratsaussichten der jungen Mädchen ganz naturgemäß verringert“ hatte. Und eine im Frühjahr 1915 eröffnete einjährige (städtische) „Haushaltungs-Fortbildungsschule“ für Schulabgängerinnen (siehe den Beitrag Nach einem Jahr) war 1916 wieder eingestellt worden (siehe BZ vom 20. April 1916).

Hier empfahl nun die Referentin der Hamburger Zentrale für weibliche Berufsberatung eine Ausbildung mit langer Lehrzeit und forderte „außerordentliche Tüchtigkeit“ der Mädchen – letzteres wohl wegen der zu erwartenden Konkurrenz durch aus dem Kriege zurückkehrende Männer: außerhalb des hauswirtschaftlichen und sozialen Bereichs und als Damenschneiderin waren Frauen im Beruf nur zweite Wahl. Aber es gab ja den sozialen Bereich mit den Pflege- und Erzieherberufen – hierfür allerdings wäre es nötig, „unberechtigte ‚standesgemäße‘ Vorurteile“ zu überwinden (was die Frage nahelegt, ob es auch berechtigte Vorurteile gab).

„Die Kriegszeit [hat] die Männerarbeit sehr oft durch Frauen auszuführen gezwungen“: dieser Satz zeigt zwar, dass Frauen in traditionelle Männerberufe eingedrungen waren, aber eben nur als Notbehelf.

Dass Bergedorfs Mütter nach sinnvollen Beschäftigungen für ihre Töchter suchten, hatten auch die Betreiber der bereits bekannten Handelsschule „Hansa“ (siehe den Beitrag Karriere als Kaufmann) bemerkt:

Bergedorfer Zeitung, 6. Mai 1916

Bergedorfer Zeitung, 6. Mai 1916

Bureaubeamtin, Buchhalterin, Kassiererin und so weiter: es war kein Zufall, dass hier die weiblichen Berufsbezeichnungen auftauchten und ansonsten immer von Damen und Herren geschrieben wurde, die bis zum „Zeugnis der Brauchbarkeit“ ohne jede Nachzahlung Unterricht erhalten würden: man hatte die Zielgruppe junger Frauen fest im Visier und machte sogar die attraktive Zusage des kostenlosen Nachweises von Stellen.

Bergedorfer Zeitung, 9. Mai 1916

Bergedorfer Zeitung, 9. Mai 1916

Von dieser Zusage allerdings war nicht viel zu halten, wie die nebenstehende Anzeige belegt, auch wenn nicht sicher ist, dass die Inserentin eine Absolventin der „Hansa“ war.

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