Vierländer vs. Maltakartoffeln

Bergedorfer Zeitung, 13. April 1915

Bergedorfer Zeitung, 13. April 1915

Bekanntlich haben die dümmsten Bauern die größten Kartoffeln – die plietschen Bauern setzen im Kartoffelanbau andere Prioritäten, die zu einer einträglicheren Ernte führen, wenn man sie denn lässt: wer vor den anderen Erzeugern am Markt ist, erzielt deutlich höhere Preise.

Die ersten neuen Kartoffeln eines Jahres kamen vor dem Krieg aus den klimatisch begünstigten Ländern Malta und Algerien, aber Malta war britisch und Algerien französisch, diese Importe würden nun also ausfallen. Belgien als weiterer Lieferant von Frühkartoffeln war Kriegsschauplatz und seine Landwirtschaft lag darnieder (siehe Bergische Arbeiterstimme vom 20. Januar 1915). Sie kamen aber auch aus Vierlanden.

Dieser frühe Anbau der „Vierländer Frühkartoffeln“ war ausgesprochen aufwendig (siehe BZ vom 14. Dezember 1915): zunächst mussten die Kartoffeln in beheizten Räumen oder Treibkästen vorgekeimt werden. Dann wurden sie in Mistbeetkästen (mit hölzernen Wänden an den Seiten und Glasfenstern oben, die Verrottungswärme des eingebrachten Mists einsperrend) in die Erde gesetzt. Bei Frost mussten die Fenster dann mit „Fleeken“ (Reetmatten) abgedeckt werden, die am Morgen wieder abzudecken waren. Bei starkem Sonnenschein wurden tagsüber die Fenster angestellt, um es nicht zu heiß werden zu lassen, und am Abend wieder geschlossen. Wenn die Pflanzen bewässert werden mussten, mussten dafür die Fenster auch wieder angefasst werden, und nach der Ernte galt es, das Holz und die Fenster zu pflegen, ggf. zu reparieren und einzulagern – aber dafür hatte man „Sechswochenkartoffeln“ oder „Fleekenkantüffeln“, wie sie bei Finder (S. 177) genannt werden, früher als andere und in beträchtlicher Menge: laut Finder, ebd., waren es in Vierlanden um 1920 etwa 100.000 Zentner – angesichts der herrschenden Kartoffelknappheit (siehe den Beitrag zur Abfallwirtschaft) hätte dies im Frühjahr 1915 höchst erwünscht sein müssen.

Doch die festgesetzten Höchstpreise von 10 Pfennig pro Pfund waren (auch angesichts des Fehlens von Arbeitskräften durch die Einberufungen) offenbar kein Anreiz für die Vierländer, die Mühen auf sich zu nehmen – schließlich hatte man vor dem Krieg das Vier- bis Fünffache einnehmen können (laut BZ vom 14. Dezember 1915). Zwar inserierte die „Bergedorfer Obstkammer“ in der BZ vom 15. Juni 1915 neue Kartoffeln zu 30 Pfennig/Pfund (knapp drei Wochen später waren es nur noch 13 Pfennig), was klar über dem Höchstpreis lag, aber die Vierländer – soweit sie trotz allem diese „Frühen“ anbauten – hatten nichts davon, da nur für (woher auch immer kommende) importierte Kartoffeln der Höchstpreis nicht zur Anwendung kam (BZ vom 14. Dezember 1915).

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