Burgfriede und Dreiklassenwahl in Sande

Bergedorfer Zeitung, 6. Februar 1915

Bergedorfer Zeitung, 6. Februar 1915

Während für die Hamburger Bürgerschaft einfach die Wahlperiode verlängert wurde (siehe Bergedorfer Zeitung vom 20. Mai 2015), sollten die Wahlen zur Gemeindevertretung Sandes turnusgemäß stattfinden, wie üblich alle zwei Jahre ein Drittel der Gemeindevertretung.
Galt in Bergedorf ein Zensuswahlrecht (siehe den Beitrag Der Rückblick auf das Jahr 1914: Bergedorf), so kam im preußischen Sande das Dreiklassenwahlrecht zur Anwendung. Dabei wurde das örtliche Steueraufkommen gedrittelt, und diejenigen Steuerzahler, die ein Drittel des Steueraufkommens zahlten, bildeten jeweils eine Klasse, die getrennt von den anderen „ihre“ Gemeindevertreter wählte. Für Sande hieß das damals konkret, dass es in der ersten Klasse nur einen Wähler gab: das Bergedorfer Eisenwerk. Die zweite Klasse umfasste 112 Wähler und die dritte Klasse 1154. Damit waren die Relationen zwischen stimmberechtigten und nichtstimmberechtigten Einwohner in Sande ähnlich wie in Bergedorf, aber mit einem noch geringeren Gewicht der „kleinen“ Steuerzahler.

Bergedorfer Zeitung, 5. M#rz 1915

Bergedorfer Zeitung, 5. M#rz 1915

Einen Wahlkampf sollte es in Sande also nicht geben: dem obenstehenden Bericht zufolge einigten sich Grundeigentümer und Bürgerverein (für die 2. Klasse) und Sozialdemokraten (für die 3. Klasse) vorab auf die Wiederwahl der Ausscheidenden – aber letztlich kam es in der 2. Klasse doch zu einer Kampfwahl, in der die beiden Kandidaten des Bürgervereins über die des Grundeigentümervereins obsiegten (siehe BZ vom 13. März 1915). Diese gefährdete den Burgfrieden allerdings nicht, da sie die Stellung der Sozialdemokraten nicht beeinträchtigte.
Die Wahlbeteiligung fiel übrigens sehr unterschiedlich aus: 100% – 51,8% – 3,8%. Das Eisenwerk (bzw. sein Direktor) war also zur Wahl erschienen; in der zweiten Klasse hatte die Konkurrenz der bürgerlichen Listen für eine gewisse Mobilisierung gesorgt, in der dritten Klasse fehlte solch ein Anreiz. Dass die Stimmabgabe „zu Protokoll“ (siehe die Bekanntmachung zur Wahl), d.h. offen, die Nichtteilnahme derjenigen förderte, die dadurch Nachteile fürchteten, kann hier nicht konkret belegt werden, gilt aber allgemein als gesicherte Erkenntnis.

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